Montag, 6. August 2007

Amtshilfe für Mückenschutz

Aufklärung

Aus den zwei Aufklärungsmissionen durch Tornados, welche vom Verteidigungsministerium zur Entdeckung möglicher Straßenmanipulationen oder Erddepots genehmigt worden waren, wurden bekanntlich sieben mit insgesamt 14 Flügen. Die erste zusätzliche Mission erfolgte bereits am 3. Mai auf Betreiben der Bundeswehr - angeblich zu Demonstrationszwecken. Zielobjekte waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht festgelegt worden und es wurden der Polizei auch keine Bilder übergeben, das Rohmaterial sei vernichtet worden. Das bei den übrigen Flügen gewonnene Material wurde jeweils nach dem Einsatz mit einer Vertreterin der BAO gesichtet und insgesamt 82 vorausgewertete Bilder per Mail an die Polizei weitergegeben.

Die anfängliche Argumentation, die zusätzlichen Flüge wären Wiederholungsflüge aufgrund schlechten Wetters gewesen, ist nicht haltbar, denn Strecken und Zielvorgaben wurden zwischenzeitlich geändert. Die zusätzlichen Flüge kamen auf Anforderung der BAO unter Zustimmung des Jagdgeschwaders Immelmann zu Stande, wurden also direkt zwischen einer Polizeibehörde und militärischen Stellen unter Umgehung aller politischen Verantwortlichen verabredet. Vorrangiges Ziel der letzten Flüge war offensichtlich die Ausspähung der Camps Wichmannsdorf und Reddelich. Die Überflüge vor Beginn des Gipfels fanden in einer Höhe von 1000-1500 Fuß statt, dies ist auch die übliche Mindestflughöhe. Es gibt nur ein begrenztes Kontingent für Übungsflüge bis auf 500 Fuß, dieses wurde genutzt für die letzten Flüge, als die Camps schon bewohnt waren. Ausgerechnet über dem Camp Reddelich sei es dann aufgrund des Wetters nötig gewesen, auch diese Flughöhe zu unterschreiten. Dies ist hochgradig unglaubwürdig. Es ging aller Wahrscheinlichkeit nach um die militärische Einschüchterung der Camp-Bewohner. Ob und durch wen diese angeordnet wurde, ist noch unklar.

Eine ähnlich enge Kooperation zwischen Polizei und Militär ergab sich beim Einsatz der Fennek-Spähpanzer. Neun waren durch das Innenministerium des Landes angefordert, drei für den Einsatz unmittelbar um Heiligendamm, drei weitere um den Flughafen Rostock-Laage und drei zur allgemeinen Raumüberwachung. Ungefragt lieferte die Bundeswehr einen zehnten Spähpanzer zur technischen Koordination des Aufklärungseinsatzes. Vorgesehen waren die Fenneks vor allem für die wichtigsten Autobahnen um Rostock, hierfür wurden sie auf Autobahnbrücken positioniert, bedient von Soldaten aber bewacht von Polizisten. Auch den Fenneks wurde auf kurzem Dienstweg eine weitere Aufgabe zugeteilt, nämlich die Überwachung der landwirtschaftlichen Versuchsanstalt des Landes Mecklenburg-Vorpommern, wo auch genmanipulierte Pflanzen angebaut werden, die Ziel von Protesten hätten werden können. Nach Ansicht der Bundesregierung sei es den Soldaten untersagt worden, eigenständig auf Wahrnehmungen zu reagieren. Dies ist schlicht unmöglich, denn der Fennek kann keine Bilder aufzeichnen und die konkrete Aufgabenstellung der Soldaten bestand darin, verdächtige Beobachtungen an die Polizei vor Ort oder per Funk weiterzugeben.

Zusammenarbeit zwischen Militär und Polizei

Die Bereitstellung militärischer Liegenschaften - u.a. auf dem Flughafen Rostock-Laage - ermöglichte einen engen Austausch zwischen Militär und Polizei, Beamte und Soldaten lernten sich kennen - nicht nur auf der Ebene der höheren Dienstgrade - und erhielten Einblick in Ausrüstung, Möglichkeiten und Organisationslogik der je anderen Behörde. Die Polizisten wurden mit Bundeswehrfahrzeugen transportiert und in Kasernen untergebracht, es gab direkten Funkkontakt. Dies war keineswegs ein zufällige Entwicklung. Zunächst einmal forciert die Bundeswehr gegenwärtig im Rahmen der "territorialen Neuordnung" den Aufbau eines flächendeckenden Netzes der zivil-militärischen Zusammenarbeit durch Verbindungsbeamte, die nun allen zivilen Verwaltungsebenen beigestellt werden und somit die Bundeswehr von Anfang an in die Planung des Katastrophenschutzes einbinden. Auch der BAO Kavala wurde ein Spezialist der Bundeswehr für die ABC-Abwehr sowie zwei Stabsoffiziere der Luftwaffe beigestellt. Die Luftwaffe stellte der Polizei ein "identifiziertes Lagebild" zur Verfügung.

Während des Gipfels wurde auch das militärische Lagebild der Marine an die Polizeikräfte übermittelt. Auf den Schiffen der Bundeswehr befanden sich darüber hinaus Verbindungsbeamte der Wasserschutzpolizei, im Flottenkommando hingegen einer der Bundespolizei. Es gab regelmäßige Besprechungen zwischen dem Flottenkommando und dem Lagezentrum der Wasserschutzpolizei, bei dem ebenfalls ein Angehöriger der Marine eingesetzt wurde. Die Bundesregierung sieht durch solche Kooperationen den Grundsatz der Trennung von Polizei und Militär jedoch nicht verletzt, da alles Genannte sich im Rahmen der verfassungsrechtlich zulässigen technischen Amtshilfe zugetragen hätte.

Kriegerische Amtshilfe

Neben den Einsätzen, bei denen das Militär zur Unterstützung der Polizei, als Ersatz für private Dienstleister oder fehlende zivile Kapazitäten für den Bevölkerungsschutz auftrat agierte sie im Rahmen des G8-Gipfels jedoch auch mit originär kriegerischen Mitteln, wenn auch weniger sichtbar auf dem Wasser und in der Luft. Neben den Tornados, Späh- und Abwehrpanzern waren auch vier Eurofighter und acht Kampfflugzeuge vom Typ F-4F Phantom, ein militärischer Transall-Transporter, eine Fregatte, drei Minenjagdboote, Minentaucher und ein Luftraumüberwachungsgerät im Einsatz. Die Abfangjäger flogen in so genannten Kernzeiten, insgesamt sechs Stunden und 15 Minuten, um gegebenenfalls Angriffe aus der Luft abwehren oder nicht zugelassene Flugzeuge aus dem Luftraum über Heiligendamm abdrängen zu können.

Auch bei Minenjagdbooten ist offensichtlich, dass es um die Abwehr kriegerischer Angriffe und damit auch selbst um einen kriegerischen Einsatz ging. Dieser Punkt spielt in der Debatte über den Einsatz der Bundeswehr im Rahmen des G8-Gipfels kaum eine Rolle. Schließlich erscheint es sinnvoll oder gar logisch, dass man die Delegierten Krieg-führender Staaten bei solch einem Treffen vor quasi-militärischen Angriffen schützen muss und also auch einen quasi-Verteidigungsfall ausruft. Es gibt diesbezüglich auch klare Bedingungen etwa für das Erscheinen des US-Präsidenten.

Der Einsatz der Minenjagdboote sowie der Verbindungsboote der Marine geschah noch auf Amtshilfeersuchen durch das Innenministerium des Landes. Bezüglich der Abfangjäger bestand ein solches Ersuchen jedoch nicht. Die Grundlage des Einsatzes wird von der Bundesregierung nicht
genannt, offensichtlich wurde hier Schäubles quasi-Verteidigungsfall bereits umgesetzt.

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Astrid Haarland M.A. Politologin - Soziale Kunst- und Ausstellungsmacherin - Commander/ISLA - a.haarland(at)googlemail.com - Choose safe communication ... ;-)

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