Samstag, 13. August 2005

Marienfeld. Ortsbesuch im Erftkreis

Die Vorbereitungen der Öffentlichkeitsarbeiter des Papst-Besuches sind in vollem Gange, und fast sieht es auf dem Foto im Internet so aus, als sei das Marienfeld, der Ort für die Abschlußkundgebungpredigt des Papstes, ein kleines Touristen-Paradies. Die Gegend erhielt in den letzten Jahren viel Aufmerksamkeit, denn die Cart-Bahn des Schumacher-Clans, wenige Kilometer entfernt an der Autobahn-Ausfahrt Kerpen, lockt die Fans und Fotografen in das Kölner Umland. Manche Bewohner jedoch haben ein eher gespaltenes Verhältnis zur Heimat der Braunkohle, in der Rekultivierungsmassnahmen an den Rändern der bis zu 450 Meter tiefen Löcher die Landschaft wieder attraktiv machen sollen, nachdem das Abpumpen des Grundwassers aus diesen Gruben teilweise zur Versteppung der Umgebung führte. Ein Wirrwarr von stillgelegten und neuen Straßen führt durch den Erftkreis und angrenzende Kommunen, rechts und links dieser sogenanten Tagebau-Umgehungsstraßen blickt man noch auf die Reste von ehemaligen Dörfern, kilometerweise sind riesige Abraum-Halde sichtbar, auf vielen dieser aus aufgeschüttetem Erdreich bestehenden Hügel wurden Bäumen gepflanzt, die Sophienhöhe bei Jülich erhielt sogar ein Gipfelkreuz.

Erwähnen Sie doch bei Ihrem Besuch in der Gegend einfach mal das Wort Rheinbraun im Gespräch. Wenn Sie Glück haben, geraten Sie an einen der vielen Angestellten von RWE und Rheinbraun oder deren Tochter- und Subunternehmen. Vielleicht ist ja das eigene Häuschen mit Hilfe von Rheinbraun ein wenig verschönert worden? Im Erftkreis hieß es in den Siebzigern und Achtzigern, dass mindestens die Hälfte aller Häuser zusammenbrechen würden, müßten alle Materialien von Rheinbraun wieder herausgezogen werden. Haben Sie allerdings Pech, ist das Gespräch mit der Nennung des Firmennamens sofort beendet, weil jemand mitansehen mußte, wie sein Dorf wegen des Tagebaus umgesiedelt und er partout nicht zu denen gehörte, die gegen gutes Geld die schöne Heimat gerne aufgaben. Oder er ist einer dieser Hausbesitzer, dessen Eigentum im Laufe der Jahre Risse im Fundament bekam und er den gerichtlichen Nachweis darüber, dass diese Risse eine unmittelbare Folge des Tagebaus waren, leider nicht führen konnte. Wohlweislich hat sich Rheinbraun beispielsweise beim Hausbau meiner Eltern in den 70ern schriftlich bestätigen lassen, dass das Unternehmen für eventuelle Schäden nicht haften würde. Das Haus meiner Eltern zumindest zeigt zum Glück bis heute noch keine Risse im Fundament.

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Webcat72 - 13. Aug, 14:58

.. irgendwie konsequent: erst die Häuser "sturmreif schießen" und dann die Leute umsiedeln, die dann ja freiwilliger gehen ... . Das andere ist: ich glaube nicht, dass es in irgendeinem Kohlerevier der Welt anders zugeht, oder !? ... Aber wenn es die eigene Heimat ist, tuts weh. Das kann ich nachfühlen ...
Morgaine - 13. Aug, 15:25

Diesem Druck konnte sich niemand entziehen, obwohl es so viele Initiativen gibt, so viele Gutachten über die Folgen. Es bildete sich in der Gegend so etwas wie eine Schicksalsergebenheit bei vielen heraus. Die Folgen des Tagebaus gehörten einfach zum Leben dazu, und wer sich auflehnte, war in den Siebzigern noch ein Spinner ... Links zum Thema habe ich ja einige gesetzt. Heimat Braunkohle? Es gab Gegenden mit noch schlimmerer Umweltzerstörung, Bitterfeld zum Beispiel. Auch dort flutet man jetzt und versucht zu rekultivieren.
http://www.goitzsche.de/

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