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mm.de: In der aktuellen Debatte wird vor allem die Vermischung von Interessen kritisiert. Otto Schily zum Beispiel hat als Innenminister die Einführung biometrischer Techniken in der Innenpolitik betrieben und arbeitet nun neben seinem Abgeordnetenmandat für zwei Firmen aus dieser Branche.
Hengsbach: Eine solche Vermischung ist bedenklich. Ganz allgemein sind in diesem Zusammenhang zwei große Entwicklungslinien zu erkennen, die ich für hochriskant halte: Erstens geht das etablierte Staatsverständnis verloren, wonach Öffentliches und Privates von einander getrennt bleiben sollen.
mm.de: Was meinen Sie damit?
Hengsbach: Ich beobachte seit einiger Zeit, dass immer mehr Politiker nicht mehr der Gesellschaft - und damit auch der Wirtschaft - als Staatsvertreter gegenüberstehen, sondern in deren Wirkungskreis eingebunden werden. Es entsteht ein Netzwerk der politisch-wirtschaftlichen Eliten. In diesem Netz ist die Regierung nur noch ein Knoten von vielen, neben Lobbys, Verbänden, Kirchen und anderen zivilgesellschaftlichen Bewegungen. Die Akteure der Netzwerke sind austauschbar, politische Unterschiede zwischen den Parteien verwischen.
mm.de: Gerhard Schröder wechselte nach seiner Kanzlerschaft zu Gasprom, Theo Waigel ist heute bei Texas Pacific, Otto Graf Lambsdorff bei Terra Firma. Man könnte einfach sagen: Die Leute sind dafür eben qualifiziert.
Hengsbach: Hier kommt mein zweiter Punkt ins Spiel. Die Regierenden fühlen sich den Finanzmärkten gegenüber zunehmend machtlos. Die wiederum sind zu einer Art "fünfter Gewalt" in der Demokratie geworden. Durch die Einbindung der Politiker in deren Netzwerke verstärkt sich dieses Phänomen, weil die Politik keine Außensicht mehr auf die Interessen der Kapitalmärkte hat.
mm.de: Wo beobachten Sie das?