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Papa, du würdest sicher froh sein über diese Entscheidung, hattest du doch immer darauf bestanden, dass zuhause die deutsche Musikquote eingehalten wurde. Gleich hinter Ella Fitzgerald nahmst du auf dem Tonband Heino mit der Haselnuß auf, Elvis kam vor ABBA, danach dann Freddy Quinn. Als ich acht Jahre alt war, schenktet Ihr mir meine erste Langspielplatte. Ich erinnere mich noch gut an die afroamerikanischen Sänger auf dem Cover von HAIR und selbst Mutter summte dann manchmal im Wohnzimmer "Let the sunshine in". Auch außerhalb unseres heimischen Wohnzimmers sorgtest du des öfteren für Stimmung. Nein. Ich spreche jetzt nicht über heitere Abende mit Tanzmusik und Damenwahl, sondern über deinen Einfluß bis hinein in unsere Klassenzimmer. Ich weiß nicht, ob meine Lehrerin damals so richtig begeistert war, in der vierten Grundschulklasse jedenfalls wurde einige Tage lang das Thema "deutsche Nation" ausführlich und lustlos besprochen. Auf einem Elternabend hattest du dich lautstark darüber beschwert, dass wir Kinder "Einigkeit und Recht und Freiheit" immer noch nicht auswendig kannten, und für den Unterricht gabst du mir dann diese schwarz-rot-goldenen Hochglanz-Karten mit, die man damals bei der Bundeszentrale für Politische Bildung bestellen konnte. Ich erinnere mich, dass es mir schrecklich peinlich vor den anderen Kindern war, so viel Deutschland auf einmal mit mir tragen zu müssen, wie mir vieles andere von dir peinlich war, denn ich ahnte damals noch nicht, was wirklich geschehen war und dass dir das Wort Heimat so viel bedeutete.
Morgaine - 22. Dez, 12:19
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