Der Abend am Ufer des
Niger war drückend schwül in dieser Regenzeit 2001. Die schwachen gelben Lampen auf der Terrasse des 'Grand Hotel'
- an dem nichts groß ist als sein Name - erloschen in regelmäßigen Abständen. In Niamey bricht die Stromversorgung oft zusammen. Aus dem Kohlenbecken vor uns stieg der köstliche Duft von Lammspießchen auf. D.B. und ich waren die einzigen ausländischen Gäste auf der Terrasse.
Der Himmel hing schwer und schwarz über uns. Auf einer großen Brücke in der Ferne fuhren die letzten Lastwagen gen Süden, zur Atlantikküste. Die Lichter ihrer Scheinwerfer glitten über die trüben Fluten des Flusses. D.B. war aus der Wüste Ténéré zurückgekehrt, wo er einen Film über das Leben, die Sitten und die Wanderzüge der Tuareg gedreht hatte. Mit eigenen Augen hatte er gesehen, welche Schäden an den Kamel- und Ziegenherden der IWF mit der von ihm verordneten Schließung der staatlichen Behörde für Veterinärmedizin angerichtet hatte. Er war Zeuge der Sorge und Verzweiflung der Viehzüchter, des Elends ihrer Familen geworden.
Ich erzählte ihm von meinen Gesprächen mit dem Dschermakoi von Dosso - dem König von Dscherma - und mit dem Ministerpräsidenten, von ihren Sorgen, ihrer Ohnmacht gegenüber den arroganten Söldlingen der Weltbank. Plötzlich unterbrach mich D.B.: "Wird es eines Tages einen Nürnberger Gerichtshof für diese Leute geben?"
Aus:
Jean Ziegler, Die neuen Herrscher der Welt und ihre globalen Widersacher, Goldmann Verlag München, 2005, S. 221