Montag, 22. August 2005

Die Glaubensgemeinschaft Gleicher?

(Auf Wunsch keine Namensnennung des Verfassers)

Benedikt XVI., alias Professor Joseph Ratzinger, scheint für manche Überraschung gut zu sein. Was ist nur aus dem miesepetrigen intellektuellen Großinquisitor geworden, dem ehemaligen Präfekt der Glaubenskongregation, der Überwachungs-und Zensurbehörde zur Kontrolle der rechten Wahrheit und Lehre? Hätte sich Ratzinger im Stande göttlichen Vorauswissens vor zehn Jahren selber auf dem Kölner Weltjugendtag predigen gehört, er hätte ein Verfahren gegen sich eröffnen müssen, das mit Sicherheit in einem Bußschweigen geendet wäre, wie er es einst Leonardo Boff, dem Befreiungstheologen, verpasste.


Nein, der Papst verkündet nicht das Recht der Entrechteten auf irdische Gerechtigkeit, jedenfalls nicht explizit. Das wäre ein wenig zu auffällig und würde ihm den Beifall von der falschen Seite eintragen. Klug und intelligent, wie er nun einmal ist, packt er seine Ideen zwar in die alten Kisten katholischer Frömmigkeit, doch empfiehlt es sich, einmal ganz genau hinzuhören. Zwei Zitate aus der Sonntagpredigt vom 21.8.05 in Köln, locker vom Blatt gelesen vor ein paar Millionen Zuhörern:


„Alle Menschen warten immer schon irgendwie in ihrem Herzen auf eine Veränderung und Verwandlung der Welt. Dies nun ist der zentrale Verwandlungsakt, der allein wirklich die Welt erneuern kann: Gewalt wird in Liebe umgewandelt und so Tod in Leben. Weil er den Tod in Liebe umformt, darum ist der Tod als solcher schon von innen her überwunden und Auferstehung schon in ihm da. Der Tod ist gleichsam von innen verwundet und kann nicht mehr das letzte Wort sein. Das ist sozusagen die Kernspaltung im Innersten des Seins – der Sieg der Liebe über den Hass, der Sieg der Liebe über den Tod. Nur von dieser innersten Explosion des Guten her, das das Böse überwindet, kann dann die Kette der Verwandlungen ausgehen, die allmählich die Welt umformt. Alle anderen Veränderungen bleiben oberflächlich und retten nicht. Darum sprechen wir von Erlösung: Das zuinnerst Notwendige ist geschehen, und wir können in diesen Vorgang hineintreten. Jesus kann seinen Leib austeilen, weil er wirklich sich selber gibt.“

„Leib und Blut Jesu Christi werden uns gegeben, damit wir verwandelt werden. Wir selber sollen Leib Christi werden, blutsverwandt mit ihm. Wir essen alle das eine Brot. Das aber heißt: Wir werden untereinander eins gemacht. Anbetung wird, so sagten wir, Vereinigung. Gott ist nicht mehr bloß uns gegenüber, der ganz Andere. Er ist in uns selbst und wir in ihm. Seine Dynamik durchdringt uns und will von uns auf die anderen und auf die Welt im Ganzen übergreifen, dass seine Liebe wirklich das beherrschende Maß der Welt werde.“ (Zenit.org)


Was ist nun daran neu und für manchen so unerhört? Nun, Ratzinger knabbert an dem herkömmlichen Gottesbild des Christentums und damit zugleich an dem des Judentums und Islams, das von einem jenseitigen, allmächtigen Gott ausgeht, der seine Boten, Propheten und Messiasse zwar zur Erde sendet, doch in fernen Weiten ewig unerreichbar weilt. Papst Benedikt, „Diener der Diener Christi“ (so einer seiner Titel) und Oberhaupt über eine Milliarde Katholiken, sagt locker mal ein kleines Sätzchen, das im Mittelalter die Scheiterhaufen zum Knistern gebracht hätte. Im Zusammenhang von altbekannten Themen wie Christus und Eucharistie (Abendmahl) kommt er auf Gott zu sprechen, konkret gesagt, auf dessen Ort, seine Gegenwart.

„Gott ist nicht mehr bloß uns gegenüber, der ganz Andere. Er ist in uns selbst und wir in ihm.“

Das heißt: Gott ist in uns selbst. Vor 800 Jahren hat in Köln schon einmal ein Mann Ähnliches behauptet, der Mönch Meister Eckhart. Nur seine Prominenz und nicht zuletzt sein plötzlicher Tod haben ihn damals vor der Verbannung, respektive Verbrennung, bewahrt.

Heute kommen diese Worte aus dem Munde des Chefs und können nur noch dadurch bekämpft werden, indem man sie ignoriert. Doch Ratzinger wird sicherlich nachlegen und seine Thesen weiter konkretisieren. Vielleicht liefert er in nächster Zeit auch einmal den Anwendungsteil seiner Gott-in-uns-Theologie, die unter dem Begriff Pan-en-theismus bislang zum Gruselkabinett der Häresien gehörte.

Dieses sehr sympathische, menschenfreundliche Gottesbild kommt so ganz und gar ohne Vermittlungsinstanz zwischen Gott und Mensch aus. Wenn Gott in mir ist, und dennoch größer ist als ich, aber zugleich auch in jedem anderen Menschen anwesend, wozu dann noch eine Kirche, die Glaubenswahrheiten hütet und Morallehren als allgemeinverbindlich verkündet? Was ist mit Sünde, Tod und Teufel? Gewiss, der Papst spricht sich weiterhin für die Berechtigung einer Kirche aus. Doch diese Kirche wird zur Glaubengemeinschaft Gleicher, von denen sich jede/r Einzelne als Manifestation Gottes betrachten kann.

Man sollte diese Dinge einmal zu Ende denken. Ratzinger hat es bestimmt getan und sich jedes Wort genau überlegt. Was die Fachöffentlichkeit derzeit praktiziert, ist zustimmendes, abwartendes, kritisches oder ignorantes Schweigen. Denn was der Papst sagt, ist nicht neu. Neues gibt es in der Theologie schon lange nicht mehr, denn alles ist schon mal da gewesen. Der Pan-en-theismus (Gott ist in uns und zugleich außer uns) ist tatsächlich schon recht alt. In der westlichen Geistesgeschichte taucht er im Spätplatonismus, also zur Gründerzeit des Christentums, auf und wurde aus wahrscheinlich machtpolitischen Gründen nicht in das Christentum übernommen, jedoch damals auch nicht explizit verworfen. Das Johannesevangelium und vor allem einige Paulusbriefe liebäugeln mit dem Späthellenismus und seinem universalistischem Gedankengut. Doch bislang gab es immer dann, wenn jemand den Paulus bzw. einen seiner damaligen Ghostwriter beim Wort nahm, eins aufs Maul.
Das wird nun allerdings schwierig, denn der Papst ist der Papst, und hat bislang jedes Flakhelfergenerationen-Argument locker gekontert.

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From messianism to sanity
"The entire population is artificially divided into "Jews" (those who support the rabbis) and "Jew-haters" (those who oppose them). Using this spiritual terrorism, the rabbis and their spokesmen terrorized the entire country."

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