Mittwoch, 21. März 2007

Was heisst links zu sein?

von Rüdiger Heescher


In der Vergangenheit gab es viele Kongresse, Workshops, Diskussionen und theoretische Abhandlungen darüber, was ein Verständnis von links sein ist. Eine sehr deutliche Phase der Orientierung schaffte immer mehr Unsicherheit, da in den 90ern jede klare Struktur des linken Denkens verloren gegangen ist. Doch warum das ganze? Weil man nicht mehr selbst gedacht hat und weil man nicht mehr auf sein intuitives Gefühl gehört hat. Es war nur ein Gefühl da, dass irgendwas nicht so läuft wie man es sich wünschen würde. Die Linke war betäubt und einer Gehirnwäsche unterzogen worden. Nur wenige konnten sich dem entziehen.


Gerade in der Phase einer Parteifusion wird viel darüber nachgedacht, was es eigentlich heisst links zu sein bei soviel unterschiedlicher Vorstellung darüber, was es im Konkreten bedeutet. Die Auseinandersetzung wird über Konzepte geführt, die sich sehr an theoretischen Modellen orientiert und vermeintlich jeder glaubt eine realistische Chance zu besitzen, diese umsetzen zu können. Vielfach einfach nur alte Konzepte, weil enem nichts anderes mehr einfällt. Daher auch dieser 70er Jahre Nostalgie Tripp.
Die neue Partei gibt sich den Namen, der verdeutlichen soll, dass es ein Sammelbecken aller derer ist, die sich als Linke verstehen. Doch es ist eine Partei und Parteien haben die Angewohnheit im aktuellen Tagesgeschäft sich zu verheddern und nicht mehr den Blick für das Wesentliche, weswegen sie sich begründet hat, zu erkennen und zu handeln nachdem weswegen sie überhaupt als Hoffnung gesehen wurde.


Doch was bedeutet letztlich eigentlich links zu sein?


Links bedeutet nichts anderes als Ungerechtigkeit zu sehen, intuitiv zu erfassen und gegen Ungerechtigkeit zu kämpfen.


Viele glauben damit im Sinne Che nun eine Revolution führen zu müssen. Andere denken sich innerhalb des Systems nur reformieren zu müssen und die Ungerechtigkeit wird dann verschwinden oder haben es insgeheim aufgegeben, dass man endgültig Gerechtigkeit schaffen könne.


Wer ein aufrechter Linker ist in dem Sinne Ungerechtigkeit bekämpfen zu wollen und nicht nur zu erkennen, der will an die Wurzel der Ungerechtigkeit und will den ganzen Stumpf heraus reissen. Viele Linke sehen aber nur noch den Baum der Ungerechtigkeit der schon so gross gewachsen ist und wollen an den Ästen sägen. Vielfach sitzen wir selbst auf diesen Ästen mit drauf, was viele daran hindert an den Ästen zu sägen. Das macht es einfach schwierig und es kommen immer Diskussionen darüber welcher Ast abgesägt werden darf und welcher nicht. Einen Baum tötet man aber nicht ab an den Ästen sondern an der Wurzel. Die Äste werden weiter bestehen und wir mit ihnen drauf. Die Äste der Ungerechtigkeit werden weiter bestehen bleiben.


Doch was ist Gerechtigkeit? Was ist Ungerechtigkeit?


Instinktiv spürt ein Linker, was ungerecht ist. Darüber was Gerechtigkeit ist, wird allerdings wieder zu streiten sein. Das passiert ja andauernd.


Gibt es eine Gerechtigkeit, die für alle gilt? Solange wir immer nur das Prinzip der Solidarität im Vordergrund sehen, wird das Prinzip der Gerechtigkeit nur für einige aber nicht für alle gelten. Denn es wird keiner Solidarität für alle empfinden können und man kann sich auch nicht mit allen solidarisieren. Doch das, was der Linken immer einfiel, war nichts anderes als das was die Gegenseite auch sah, nämlich Mehrheiten durch Solidarität zu schaffen, was aber letztlich auch nicht Gerechtigkeit schafft, sondern wiederum nur Ungerechtigkeit schafft denen Gegenüber mit denen wir uns nicht solidarisieren können.


Jeder Mensch hat ein Empfinden dafür was gerecht ist. Es ist unterschiedlich im Empfinden, weil die Lebensumstände und Erfahrungen natürlich andere sind. Vor allem vor dem Hintergrund des Seins was das Bewusstsein bestimmt. Das kann jeder Marxist genauestens nachempfinden. Doch gibt es ein massives Misstrauen gerade von dieser Seite, dass der Mensch insgesamt nicht in der Lage wäre Ungerechtigkeit zu erkennen, was dazu führt, dass sich genauso wieder dort Strukturen bilden, die eine Unfreiheit verursachen und die Ungerechtigkeit wiedermal in ihren Lauf nimmt nur von der anderen Seite her.


Das Prinzip der Solidarität ist daher ein Stück weit untauglich um Gerechtigkeit zu schaffen.


Denn Solidarität verursacht auch vermeintliche Solidarität mit denen, die auf den Ästen der Ungerechtigkeit sitzen und damit die Möglichkeit genommen wird, Ungerechtigkeit selbst an den Ästen zu bekämpfen und diese Äste abzusägen. Der Baum der Ungerechtigkeit wird also weiter wachsen und immer grösser werden.


Was bleibt einer Linken insgesamt nun übrig? Falsch verstandene Solidarität bekämpfen, weil diese nur den Baum weiter wachsen lässt und die Ungerechtigkeit am Stumpf und der Wurzel zu bekämpfen.


Was ist denn der Stumpf und die Wurzel der Ungerechtigkeit?


WIr kennen alle aus unserer Erziehung und Entwicklung die Gefühle der Ungerechtigkeit und auch der Gefühle für ein falsches Verhalten. Wir haben Zivilisiertheit erlebt und kennen das Gefühl was gut für einen ist und welches schlecht ist.


Wir erkennen Diebstahl. Privatisierung ist z.B. Diebstahl. Ein Raubzug einiger weniger zu Lasten vieler.


Wir erkennen das Töten. Menschen in eine unwürdige Lebenssituation zu bringen tötet den Menschen in seinem Menschsein. Hartz 4 ist töten von Menschen in seinem Menschsein. Jeder Mensch verdient es in Würde zu leben und dafür machen wir uns stark. Kriege im allgemeinen ist Töten, was jeder offensichtlich erkennt. Strukturelles Töten des Menschseins ist Hartz 4. Das bekämpfen wir.


Wir erkennen Lügen. Unsere ganze Gesellschaft wird auf ein Konstrukt einer Lüge aufgebaut und ist eine Gehirnwäsche sondergleichen. Das bekämpfen wir.


Wir erkennen Betrügen und Erpressen. Jede Korruption und Bestechung liegt auf der Hand für jeden etwas schlechtes zu sein.


Der Baum der Ungerechtigkeit ist nun so gross, dass er gefällt werden muss. Mit Stumpf und Wurzel entfernt werden muss. An ihre Stelle muss ein Baum der Gerechtigkeit angepflanzt werden. Ein Samenkorn reicht, der gesät werden muss. Den Humus für dieses Samenkorn wird der gefällte Baum der Ungerechtigkeit sein.


Was kann uns das weiter helfen?


Mir kommt es darauf an, dass der grösste Wert in "Gerechtigkeit für alle" gelegt wird und nicht in die Solidarität. Solidarität hilft uns nicht - im Gegenteil! Es wird viel zuviel falsch verstandene Solidarität geübt in allen möglichen Bereichen, was nur zum weiteren Wachstum von Ungerechtigkeit führt.


Dieses mal als Gedankenanstoss und Appell für diejenigen, die Solidarität höher bewerten als Gerechtigkeit.

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