Im US-amerikanischen Militär (insbesondere in der US-Army und dem Marine-Corps) wird seit Jahrzehnten an Fragen militärischer Einsätze unterhalb der Kriegsschwelle konzeptionell gearbeitet, auch wenn sich die Begrifflichkeiten immer wieder änderten. Sprach man früher von "Small Wars", in den 1960er Jahren vor allem von Aufstandsbekämpfung ("Counterinsurgency") und unter Präsident Ronald Reagan von "Low-Intensity Conflict" (LIC; auch: "Low-Intensity Warfare"), so ist heute von "Military Operations Other than War" (MOOTW) und "Stability and Support Operations" die Rede.[2] In der aktuellen Variante, die seit Anfang/Mitte der 1990er Jahre gilt, zählen u.a. folgende Typen von Einsätzen dazu: Terrorismusbekämpfung, Bekämpfung des Drogenhandels und der -produktion ("Counterdrug Operations"), die Durchsetzung von Sanktionen und Schutzzonen, die Sicherung von Luft- und Seeverkehrswegen, humanitäre Hilfe, militärische Unterstützung ziviler Behörden, Aufstandsbekämpfung, Unterstützung von Aufständen, Evakuierungsoperationen, Friedenseinsätze, Rettungs- und Bergungseinsätze, militärische Macht-demonstrationen ("Show of Force Operations"), punktuelle Angriffe ("Strikes and Raids").
Insgesamt wird deutlich, dass viele dieser Aktivitäten auf die Umsetzung dessen zielen, was später in die NATO-Strategie aufgenommen wurde. Alle diese Operationsarten bestehen aus verschiedenen Untertypen. Seit rund 25 Jahren gibt es dazu in der militärischen Community der USA eine lebhafte Debatte, die sich in der kontinuierlichen Weiterentwicklung militärischer Doktrinbildung niedergeschlagen hat. Die US-Army, das Marine-Corps, die Joint Chiefs of Staff (Generalstab) und - in geringerem Maße - die US-Navy haben seitdem verbindliche Konzeptions- und Planungspapiere und Handbücher erarbeitet. Bereits diese erste Aufzählung der Einsatztypen lässt erkennen, dass die breite Aufgabenstellung der NATO-Strategie in den USA auf einen konzeptionellen Unterbau trifft, über den die NATO selbst und viele Mitgliedsländer nicht verfügen.
Viele der Unterkonzepte und ihre Elemente erscheinen auf den ersten Blick unschuldig genug, teilweise verbergen sich hinter ihnen aber doch zahlreiche Punkte, die Anlass zur Diskussion oder zu Einwänden bieten, etwa bei Konzepten zum Umgang und der Zusammenarbeit mit - sowie der versuchten Instrumentalisierung von - Medien und Nichtregierungsorganisationen (NGO) oder bei der Ausfüllung von Praktiken der Psychologischen Kriegführung. Hier ist nicht der Ort, solche Fragen ausführlich zu erörtern. Es muss aber darauf hingewiesen werden, dass die politischen Kerne der Konzepte von "Military Operations other than War" heute vor allem in der Bekämpfung und Förderung von Aufständen bzw. dem Umgang mit failed states liegen.
weiter:
NATO und Aufstandsbekämpfung
Jochen Hippler
"Counterinsurgency" - Neue Einsatzformen für die NATO?
Siehe auch:
Low Intensity Warfare -
Krieg der niederen Intensität
Das Unternehmen Krieg
Paramilitärs, Warlords und Privatarmeen als Akteure der Neuen Kriegsordnung